
Miteinander statt Gegeneinander? Eine Bilanz
Warum der Ruf im Wahlkampf nach weniger Spaltung und mehr „Miteinander statt Gegeneinander“ im Straßenverkehr von falschen Voraussetzungen ausgeht.
„Wir müssen wieder zu mehr Miteinander kommen, die Aachener Gesellschaft ist zu gespalten“. So oder so ähnlich hören wir häufig die (vermeintlich) versöhnlichen Worte mancher Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf. Schließlich wollen wir doch alle friedlich koexistieren, egal ob wir zu Fuß, mit den Rad oder dem Auto unterwegs sind. Klingt doch wie etwas auf das wir uns alle einigen können, oder?
Im Prinzip natürlich schon. Klar wollen auch wir Radfahrenden keine unnötigen Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern, schon gar nicht mit dem Autoverkehr. Schließlich ist uns unser Leben durchaus etwas wert, auch wenn mancher Autofahrende anderes behauptet wenn wieder davon die Rede ist, dass ja alle Radfahrenden über Rot fahren.
Wie dem auch sei: Gefordert wird mehr Kompromissbereitschaft, insbesondere durch die Radfahrenden. Schließlich könne man nicht verlangen, dass überall nur noch Radwege gebaut und Straßen rot eingefärbt werden, irgendwann muss ja auch mal Schluss sein. Und genau hier wird es gefährlich, weil man schnell zu dem Schluss kommt: Stimmt, man hört immer nur davon wie dies oder das für den Radverkehr in Aachen umgesetzt wird, aber was wurde in letzter Zeit für die Autofahrenden getan?
Gleichwertige Infrastruktur? Wohl kaum
Was man sich klarmachen muss: Auto- und Radinfrastruktur (Infrastruktur für zu Fuß Gehende lassen wir der Einfachheit halber außen vor) werden in dieser scheinbar versöhnlichen Argumentation auf eine Stufe gestellt, als wäre die Infrastruktur aktuell schon gleichwertig aufgebaut. Das suggeriert, dass der Autoverkehr immer mehr abgeben muss und der Radverkehr sich immer mehr Platz nimmt, was ja ungerecht ist.
Das unsere Städte seit mindestens 50 Jahren konsequent auf das Auto ausgerichtet wurden und Infrastruktur dadurch zum größten Teil autozentriert ist, wird so bewusst unterschlagen. Sich eine typische Straße einmal objektiv anschauen kann augenöffnend sein: Wieviel Platz auf der Fahrbahn ist für den fließenden Autoverkehr reserviert? Wieviel für den sogenannten „ruhenden Verkehr“, also Parkmöglichkeiten? Und wieviel Fläche ist dann noch übrig für Fußverkehr (Gehwege) sowie Flächen, die nur für den Radverkehr reserviert sind? Allein hier zeigt sich schon, dass wir keinesfalls bereits eine gerechte Flächenaufteilung haben und der Autoverkehr immer mehr von „seiner“ Fläche zugunsten der anderen abgeben muss. Vielmehr wird durch die Neuaufteilung von Flächen dafür gesorgt, dass diese zumindest etwas gerechter als vorher verteilt sind. Und dafür muss der bisher am meisten privilegierte Verkehrsteilnehmer eben etwas abgeben. Wenn ich 3/4 des Kuchen für mich beanspruche, sollte ich mich nicht beschweren wenn ich derjenige bin dem zugemutet wird, doch mehr vom Kuchen an andere zu verteilen und vielleicht nur noch den halben Kuchen für mich zu behalten. Das bringen wir unseren Kindern schließlich auch so bei.
Privilegierung des Autoverkehrs
Durch die jahrzehntelange Bevorzugung des Autoverkehrs sind die eigentlich offensichtlichen Privilegien leider zur Normalität geworden und es besteht eine Anspruchshaltung auf das, was man ja „schon immer“ hatte. Schaut man in der Geschichte weiter zurück, war das nicht immer so. Noch bis in die 50er Jahre war die Straßenbahn das Rückgrat des Aachener Verkehrs. Ab Mitte der 60er Jahre wurde dann der Umbau zur „autogerechten Stadt“ angestrebt und die noch verbleibenden Strecken nach und nach stillgelegt, weil man das Auto (wie bundesweit auch) als das Fortbewegungsmittel der Zukunft sah. Heute stehen wir wieder an dem Punkt, wo wir mit der RegioTram diese Zeiten zumindest teilweise wiederbeleben wollen, weil wir eingesehen haben dass rein autozentrierte Städte weder menschen- noch klimafreundlich sind.
Gerechte Flächenaufteilung statt Kompromisse
Kompromisse in der Mobilität und Verkehrsführung bedeuten also keinesfalls, dass Auto- und Radverkehr zu gleichen Teilen Zugeständnisse machen müssen, um zu einem verträglichen Miteinander zu kommen. Wir brauchen vielmehr als erstes eine konsequent neu gedachte, gerechtere Flächenaufteilung. Diese muss aber auch politisch gewollt sein, damit sie von Stadt und Verwaltung umgesetzt werden kann. Darum der Appell: Wer Veränderung haben will, sollte bei den Kommunalwahlen diesen Sonntag (14. September 2025) die Verkehrswende wählen!